Die wichtigste Motivation für die Früherkennung von ADHS ist ihre Auswirkung auf die Bildung der Kinder. Kinder, die an ADHS leiden, zeigen häufig auch Lernprobleme. Zur Diagnose von ADHS-Patienten werden verschiedene Methoden und Instrumente eingesetzt: Traditionellerweise sind es vor allem Fragebogen und Interviews, welche zur Diagnostik beigezogen werden. Bei Kindern werden zudem neuropsychologische Tests dargeboten, welche Aussagen zum Verhalten der Patienten ermöglichen. In neuerer Zeit – und dies wird in Zukunft noch verstärkt versucht – sollen sogenannte Biomarker ergänzend die Diagnostik verfeinern. Die besten Erfahrungen werden aktuell mit dem EEG-bezogenen Messverfahren der ereigniskorrelierten Potenziale gemacht. Für deren Nutzen als ergänzende Marker für ein besseres Verstehen der Zusammenhänge im Einzelfall gibt es mittlerweile eine harte Evidenz.
Für EEG-basierte Tests gibt es verschiedene Protokolle, die jeweils einen spezifischen Aspekt der Probleme dieser Patienten untersuchen. Einer der frühesten Versuche war die Extraktion von Frequenz-Merkmalen aus dem Ruhezustands-EEG, die mit der Patientengruppe hoch korreliert sind. Obwohl eine hohe Kohärenz besteht über viele Untersuchungen, wonach langsamrhythmige EEG-Aktivität bei vielen Kindern mit ADHS zu beobachten sind, vermögen EEG-Frequenzen nicht genügend spezifische Informationen zu liefern. Spezifischer für Aussagen zur Informationsverarbeitung im verarbeitenden Gehirn des Patienten sind evozierte Potenziale. Mit Hilfe dieser Methode können viele Merkmale aus dem kognitiven Prozess des Menschen gewonnen werden. Die Grundprämisse dieses Protokolls ist, dass das menschliche Gehirn jedes Mal gleich auf eine bestimmte Eingabe (Bild oder Ton) reagiert, und wenn diese Eingabe wiederholt wird, bleibt die Ausgabe gleich, so dass man durch Mittelwertbildung über viele Antworten des Patienten bei gleichen Bedingungen das Zufallsrauschen aus der Ausgabe reduzieren kann. In Protokoll, welches von der Gehirn- und Traumastiftung angewendet wird, werden verschiedene Stimuli verwendet. Die visuelle und auditive Stimulation ist für Spezialisten, die mit ADHS-Patienten arbeiten, von größerer Bedeutung. Dieses Protokoll umfasst vier Arten der Stimulation (siehe Bild). Die Testperson muss je nach Kombination des Stimulus unterschiedlich reagieren. Zum Beispiel, wenn das Tierbild als erster Reiz und die Pflanze als zweiter Reiz gezeigt wird, sollte die Versuchsperson nicht auf den Knopf drücken.
Allerdings bilden die evozierten Potenziale die Informationsverarbeitung nur bedingt ab. Es hat sich nämlich gezeigt, dass das Antwortverhalten der Testpersonen wesentlich von den vorhergehenden, bereits verarbeiteten Aufgaben beeinflusst wird. Die Beeinflussung geschieht unbewusst durch die Arbeitsspeicherung: Wenn der Speicher unterschiedlich belegt ist, wird das Antwortverhalten dadurch erheblich beeinflusst. Zusätzlich zur Speicherung beeinflusst auch das Antwortverhalten, also zum Beispiel verzögerte Reaktionen die Verarbeitung der nachfolgenden Aufgabe. Unsere Innovation findet genau hier statt. Der Einfachheit des Projekts halber untersuchen wir nur den Effekt des Gedächtnisses (aus systemischer Sicht). Mit anderen Worten, zusätzlich zu den Stimuluspaaren auf die unterschiedlich gedrückt werden muss (Tier-Tier, Tier-Pflanze, Pflanze-Pflanze oder Pflanze-Mensch/Ton), wird der Einfluss der vorausgehenden Verarbeitung auf die nachfolgende Verarbeitung untersucht und bewertet. Zu diesem Zweck haben wir eine einfache Strategie gewählt. Mit Hilfe des obigen Protokolls haben wir den Einfluss der vorhergehenden Verarbeitung auf die nachfolgende Aufgabenstellung gemessen. Dadurch zeigt sich, wie das Gehirn von einem Zustand in einen anderen Zustand übergeht.
Die Ergebnisse waren erstaunlich: Es gab einen signifikanten Unterschied zwischen der Reaktion des Gehirns bei unterschiedlichen vorhergehenden Aufgaben. Dabei wurden zusätzlich zur erweiterten Fragestellung innovative mathematische Konzept entwickelt, welche das Geschehen im Gehirn differenziert widerspiegeln.
Die unterschiedlichen Zugänge zur Erfassung der Prozesse im Gehirn wurden zudem miteinander verglichen. Es zeigt sich, dass die neue Methode im Vergleich zu den bisherigen Methoden bedeutend besser abschneidet oder diese zumindest wesentlich ergänzt.
Da bei der Forschung der Gehirn und Trauma Stiftung sämtliche Ergebnisse letztlich den Patienten zugutekommen müssen, sind wir daran nach Möglichkeiten zu suchen, wie die derzeit noch aufwändige Verarbeitung der Informationen gewinnbringend in den Diagnose Prozess und erst noch in Anhängigkeit zur Datenbank bei einzelnen Patienten eingebaut werden kann. Dies dürfte die Aussagekraft der neurobiologischen Informationsverarbeitung in der klinischen Praxis nochmals erheblich verbessern und gleichzeitig zum besseren Verstehen der Kurzzeitspeicherung und des Arbeitsverhaltens beitragen. Dies dürfte nicht nur bei ADHS eine bedeutsame Rolle spielen, sondern auch bei anderen mentalen Störungen.