Teil 4 der Artikel-Serie zum Biomarker Workshop 2025
86% der autistischen Erwachsenen berichten von täglichen Problemen mit Angst. Diese Zahl zeigt: Angst ist bei Autismus nicht die Ausnahme, sondern ein zentraler Bestandteil des Erlebens.

Angststörungen bei Autismus: Die Zahlen
Die Forschung von Zaboski et al. (2018) dokumentiert die verschiedenen Angststörungen bei autistischen Menschen:
- Soziale Phobie: 17-30%
- Spezifische Phobien: 30-44%
- Generalisierte Angststörung: 15-35%
- Trennungsangst: 9-38%
- Zwangsstörung (OCD): 17-37%
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): 45% (Rumball et al., 2021)
Angst bei ADHS
Auch ADHS geht häufig mit Angststörungen einher. Simon et al. (2013) berichten, dass 18-25% der Menschen mit ADHS zusätzlich eine Angststörung haben (mit einer Spannbreite von 4-84% je nach Studie).
Die häufigsten Angststörungen bei ADHS:
- Soziale Angst: 39%
- PTBS: 37%
- Generalisierte Angststörung: 23%
- Zwangsstörung: 17%
Was löst Angst aus?
Attwood und Garnett identifizieren spezifische Auslöser und Situationen für Angst:
- Unerwartete Veränderungen: Zum Beispiel wenn Möbel im Schlafzimmer umgestellt werden
- Überfüllte Orte: Einkaufszentren oder belebte Strassen
- Ungewollte soziale Aufmerksamkeit: Das Bedürfnis nach Alleinsein
- Gehänselt werden: Mit vielen negativen Gedanken und Emotionen
- Überlastung: Überstimulation durch lange soziale Veranstaltungen
- Unsicherheit: Unbekannte bevorstehende Ereignisse oder Veränderungen
- Übergänge: Wechsel zwischen Aktivitäten oder Umgebungen
- Perfektionismus: Sorge vor Fehlern – eine Phobie für Irrtümer
- Kontrollverlust: Situationen, in denen man das Unerwartete nicht bewältigen kann
- Sensorische Erfahrungen: Bestimmte Sinneseindrücke können phobische Reaktionen auslösen
- Planänderungen: Wenn ein festgelegter Plan geändert wird
Sensorische Sensitivität: Zwei Welten wahrnehmen
Menschen mit Autismus und ADHS erleben die Welt oft intensiver – sowohl die äussere als auch die innere:
Exterozeption – Die Aussenwelt wahrnehmen:
- Geräusche, Licht, Berührung, Geruch, Geschmack
- Die Emotionen anderer Menschen
Interozeption – Die Innenwelt wahrnehmen:
- Schmerz, Krankheit (z.B. Übelkeit)
- Herzschlag, Atmung
- Hunger, Müdigkeit, Temperatur
- Körperliche Signale für Emotionen

Die psychologischen Folgen
Unbehandelte Angst und sensorische Überlastung können zu weiteren Problemen führen:
In der Kindheit:
- Oppositionelles Trotzverhalten oder Verhaltensstörungen
- Angststörungen
- Schlafstörungen
In der Adoleszenz und im Erwachsenenalter:
- Suchterkrankungen
- Depressionen
- Essstörungen
Mehr erfahren beim Biomarker Workshop 2025
Am 11. Dezember 2025 präsentiert Dr. Corinne Henzen ihren Vortrag «Von der Fallvignette zur Neurobiologie: Das cinguläre System und Hypersensitivität als transdiagnostische Marker bei Autismus, Angststörungen und ADHS».
Anmeldung: https://gtsg.ch/de/biomarker-workshop-2025-2/
Quelle: Handout «Understanding Autism and ADHD» von Prof. Tony Attwood & Dr. Michelle Garnett, 2025
